Hoffnung auf Veränderung? Hope for Change?

Vorüberlegungen I  /  Peliminary Considerations I

 

English below!!

 

Wieso sollten wir darauf hoffen dürfen, dass eine Initiative wie vocal ecotism irgendeinen Einfluss auf die ökologische Situation der Erde nehmen könnte? Darauf kann ich eine kurze und eine etwas längere Antwort geben. Die kurze lautet, dass Hoffnung nicht unbedingt wohl begründet sein muss. Wie Luthers Apfelbaum lehrt, kann die Hoffnung gerade in einer verzweifelt hoffnungslosen Lage aufkeimen. Oder in den Worten Hölderlins: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.

 

Die beiden Beispiele bedienen bereits die Bereiche, um die es in vocal ecotism gehen wird. Der zu pflanzende Apfelbaum steht für das, was wir heute Natur zu nennen gewohnt sind und Hölderin führt uns geradewegs in die Kunst, nicht als Rettungsanker, sondern eher als Feld, von dem aus die Rettungsversuche zumindest unterstützt werden sollen.

 

 

 

Damit kommen wir schon zur zweiten, etwas ausführlicheren Antwort. Das Zitat von Hölderlin weist nämlich (leider) auf ein Denken, das wir für die anstehende Rettung der Welt überwinden müssten. Er bedient sich in seinem Hoffnung machenden Ausspruch der kausalen Struktur des linearen Denkens. Eine Ursache, die Gefahr, führt zu einem Effekt, dem Anwachsen des Rettenden. Wie Sibylle Anderl in ihrem Aufsatz „Bis es kippt“ (Kursbuch 216, S. 17ff.) darlegt, hat sich das kausal-lineare Denken seit Beginn der modernen Naturwissenschaften Anfang des 17. Jahrhunderts eingebürgert, wird heute aber genau von diesen Naturwissenschaften schwer in Zweifel gezogen. Die Disziplin der nichtlinearen Dynamik hat gezeigt, dass die Welt sich in vieler Hinsicht in komplexen und nichtlinearen Systemen organisiert, die mit dem kausalen Denken nicht angemessen erfasst werden. Das Klima gehört zu den Paradebeispielen, aber auch die Biosphären wie die Meere, die Wälder oder die Eisschilde an den Polen, und im kleineren Maßstab etwa ein Ameisenhaufen. Diese Systeme sind bestrebt, einmal erreichte stabile Gleichgewichtszustände zu erhalten und auf störende äußere Einflüsse mit Anpassungsleistungen zu reagieren. Das geht so lange gut bis es zu den mittlerweile berühmten Kipppunkten kommt, in dem das System den alten Zustand nicht mehr halten kann und in einen neuen Zustand wechselt. Der Wechsel geschieht dann sehr schnell. Der Zeitpunkt für solche dramatischen Veränderungen ist nicht vorherzusagen, auch wenn man die Bedingungen, die dafür vorliegen müssen, kennt. Wann genau die Schmelze des westantarktischen Eises sich nicht mehr umkehren kann oder wann das Amazonasgebiet von einem CO2-Speicher durch Abholzung und Versteppung ein Co2-Emittent wird, ist nicht zu sagen, aber dass die Entwicklungen in diese Richtung zeigen, lässt sich ernsthaft nicht mehr leugnen.

 

All das ist kein Grund zur Hoffnung. Doch die Theorie der Kipppunkte kann auch auf soziale Prozesse angewendet werden. So spricht der Klimawissenschaftler Timothy Lenton von Handlungskipppunkten. Danach könnte die weltweite soziale Bewegung, die sich für drastische Maßnahmen gegen den Klimawandel einsetzt, irgendwann den Punkt erreichen, an dem die globale Stimmung kippt und die Menschheit beginnt, endlich angemessen auf die katastrophale Situation zu reagieren. So wie jede noch so geringe CO2-Emmission die klimatischen Kipppunkte wahrscheinlicher macht, so hilft jede noch so kleine Aktion zur Veränderung unserer Haltung zur Welt, dem Kipppunkt hin zur Veränderung unseres Verhaltens näher zu kommen.

 

Darin besteht die Hoffnung und die Begründung für Initiativen wie vocal ecotism, mit der wir versuchen, auf eine Haltungsänderung der Welt gegenüber hinzuarbeiten. In Anbetracht der einschüchternden Größe der Aufgabe, den Klimawandel und das Artensterben aufzuhalten, erlaubt die soziale Spielart der Kipppunkt-Theorie, die Hoffnung nicht aufzugeben. Also an die Arbeit!

 

 

English:

 

Hope for change?

 

Why should we hope that an initiative like vocal ecotism could have any influence on the ecological situation on earth? I can give a short and a slightly longer answer to this question. The short answer is that hope does not necessarily have to be well-founded. As Luther's apple tree teaches us, hope can emerge in a desperately hopeless situation. Or in the words of Hölderlin: "But where there is danger, the saving element also grows.

 

The two examples already serve the areas that vocal ecotism will deal with. The apple tree to be planted stands for what we are used to calling nature today and Hölderlin leads us straight into art, not as a rescue anchor, but rather as a field from which the rescue attempts should be supported.

 

This brings us to the second, somewhat more detailed answer. The quote from Hölderlin (unfortunately) points to a way of thinking that we would have to overcome in order to save the world. In his hopeful statement, he utilises the causal structure of linear thinking. A cause, the danger, leads to an effect, the growth of what is to be saved. As Sibylle Anderl points out in her essay "Bis es kippt" (Until it tips over, Kursbuch 216, p. 17ff.), causal-linear thinking has become established since the beginning of the modern natural sciences at the beginning of the 17th century, but today it is precisely these natural sciences that strongly doubt this thinking. The discipline of non-linear dynamics has shown that in many respects the world is organised in complex and non-linear systems that are not adequately captured by causal thinking. The climate is one of the prime examples, as are biospheres such as the oceans, forests or the ice sheets at the poles, and on a smaller scale an anthill, for example. These systems endeavour to maintain stable equilibrium states that they once have reached and to react to disruptive external influences by adapting. This works well until the now famous tipping points occur, when the system can no longer maintain the old state and switches to a new state. The change then happens very quickly. The timing of such dramatic changes cannot be predicted, even if we know the conditions that need to be in place. It is impossible to say exactly when the melting of the West Antarctic ice will no longer be reversible or when the Amazon region will change from a CO2 reservoir to a CO2 emitter through deforestation and desertification, but the fact that developments are moving in this direction can no longer be seriously denied.

 

All this is no reason for hope. However, the theory of tipping points can also be applied to social processes. Climate scientist Timothy Lenton, for example, talks about action tipping points. According to this theory, the global social movement in favour of drastic measures against climate change could at some stage reach the point at which the global mood shifts and humanity finally begins to react appropriately to the catastrophic situation. Just as every CO2 emission, however small, makes climatic tipping points more likely, every action to change our attitude to the world, however small, helps to bring us closer to the tipping point of changing our behaviour.

 

This is the hope and justification for initiatives like vocal ecotism, where we try to work towards changing attitudes towards the world. Given the daunting size of the task of stopping climate change and species extinction, the social version of tipping point theory allows us not to give up hope. So let's get to work!

 

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