Kunst und Gesellschaft /Art and Society
English below!
„Die Grenze der Kunst – der bürgerlichen wie der sozialistischen – ist die Schranke, die ihrer Verwirklichung gesetzt ist. Sie wird von Anfang an in den schizoiden Prozess der Zivilisation verwickelt. Die Gesellschaft pflegt daher mit den Künsten einen ambivalenten Umgang. Sie haben zwar Bedürfnisse zu befriedigen, dürfen aber nicht zu weit gehen. Der Harmonismus versucht seit jeher, den Kynismus in Schach zu halten. Kunstwahrheiten müssen eingegrenzt werden, wenn sie der Mentalität von „nützlichen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft“ nicht schädlich werden sollen. Es ist schwer zu sagen, was bei dieser Eingrenzung bewusste Politik und was spontane Regulierung des Verhältnisses zwischen Kunst und Gesellschaft ist. Tatsache bleibt, dass die Grenze zwischen Kunst und Leben sich kaum nennenswert verwischt.“
In diesem Zitat, das ich in einem der beeindruckenden Ensembles von Anna Oppermann gefunden habe, die gerade (2023) in einer großen Retroperspektive in Bonn gezeigt werden (https://www.bundeskunsthalle.de/oppermann), sind ein paar Gedanken angesprochen, die für vocal ecotism relevant werden können. Ich weiß nicht, ob das Zitat von A. Oppermann selbst stammt oder ob sie es woanders gefunden hat. Es geht jedenfalls um das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft und die Frage, ob in diesem Verhältnis, wie es in der Regel besteht, eine Wirkung künstlerischer Aktivitäten erfolgen kann, die über das hinaus geht, was die Gesellschaft für sich will. Bei der Diskussion ist nicht unwichtig zu bemerken, dass dieses Zitat in einer Ausstellung der Bundeskunsthalle zu finden ist, einer Ausstellung, die mit öffentlichen Geldern finanziert wurde. So wie auch vocal ecotism mit Geldern der in diesem Fall großzügigen öffentlichen Hand gefördert wird. D.h. die Gesellschaft und der Staat fördern Kunst. Auch Kunst, die nicht völlig d´accord mit den Regeln und Prinzipien der Gesellschaft geht. Das ist gut so. Doch die Frage bleibt: Kann Kunst in diesem Rahmen verändernd wirken?
Einiges spricht dafür, dass diese Art des Kunstschaffens dazu beiträgt, den status quo zu stabilisieren, der verhindert, dass es zu echten Veränderungen kommt. Zwar werden all die großen Probleme der Zeit in der Kunst angesprochen und angeprangert, aber damit erfüllt die Kunst sozusagen die Aufgabe, der sich der Rest der Gesellschaft dann nicht mehr stellen muss. Das jedenfalls ist eine reale Gefahr.
Zugleich leben wir in einer Phase, in der die Kunst es sich zu einfach machen würde, wenn sie sich in die Rolle des widerständigen Außenseiters zurückzieht. Die Gesellschaften, die Kunst ihren Raum lassen, werden gerade von der Welle des Rechtspopulismus bedroht, die über die ganze sogenannte westliche Welt schwappt. Den Raum der Kunst zu verteidigen heißt im Moment, den demokratischen Rechtsstaat verteidigen und unterstützen! Das ist eigentlich nicht gerade eine klassische Aufgabe der Kunst. Wir sind in einem Dilemma. Wie gehen wir damit um? Wie kann man mit Stimmkunst die Grenze zwischen Kunst und Leben weiter verwischen und mit der Kunst wirksam werden in der Gesellschaft?
English
"The limit of art - both bourgeois and socialist - is the barrier to its realisation. It is involved in the schizoid process of civilisation from the very beginning. Society therefore has an ambivalent relationship with the arts. Although they have to satisfy needs, they must not go too far. Harmonism has always tried to keep cynicism in control. Artistic truths must be limited if they are not to become harmful to the mentality of "useful members of human society". It is difficult to say what is conscious politics and what is spontaneous regulation of the relationship between art and society. The fact remains that the boundary between art and life is hardly blurred to any significant degree."
This quote, which I found in one of Anna Oppermann's impressive ensembles, which are currently (2023) being shown in a major Retroperspective in Bonn (https://www.bundeskunsthalle.de/oppermann), addresses a few thoughts that could be relevant to vocal ecotism. I don't know whether the quote comes from A. Oppermann herself or whether she found it somewhere else. In any case, it is about the relationship between art and society and the question of whether in this relationship, as it usually exists, artistic activities can have an effect that goes beyond what society wants for itself. In this discussion, it is not unimportant to note that this quote can be found in an exhibition at the Bundeskunsthalle, an exhibition that was financed with public funds. Just as vocal ecotism is funded by the in this case generous public purse. In other words, society and the state support art. Even art that doesn't completely agree with the rules and principles of society. That is a good thing. But the question remains: Can art have a transformative effect within this framework?
There is some evidence that this type of artistic creation helps to stabilise the status quo, which prevents real change from taking place. Although all the major problems of our time are addressed and criticised in art, this means that art fulfils the task that the rest of society no longer has to face. That, at any rate, is a real danger.
At the same time, we are living in a phase in which art would make it too easy for itself if it withdrew into the role of the resistant outsider. The societies that allow art its space are currently being threatened by the wave of right-wing populism that is sweeping across the entire so-called Western world. At the moment, defending the space of art means defending and supporting the democratic constitutional state! This is not exactly a classic task for art. We are in a dilemma. How do we deal with it? How can vocal art further blur the boundary between art and life and become effective in society through this art?
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