Deutsch weiter unten!
dear all,
As you know, a group of us spent a week from the end of October to the beginning of November at the Roy Hart Center in Malérargues to work together on vocal ecotism's topics and, in particular, to continue the questions of the artistic actions.
I don't feel able to give a detailed report, but I do want to make a few comments.
We had a good and intensive week. In the mornings we concentrated on practice and the theory of vocal elements, and in the afternoons we used the time to work on the questions and projects that the participants had brought with them. We also tried out a kind of choral piece called ‘Elementenkunde’ (study of the elements) with vocal material taken from various sources: descriptions of, so to speak, elementary sound events, vocal interventions that refer to these sound events, excerpts from songs that address the elements, and whatever else came up. This is an idea that we can continue to work with well in groups.
On Wednesday evening, I gave a lecture in which I wanted to provide an insight into the research of the past months, especially into the reflections. I only touched on the practical work and at the end I presented the principles of a vocal art for the wounded world.
The video recording of it can be found here:
A few additions:
In the lecture, I talk at some length about
Philippe Descola's book: Beyond Nature and Culture. On
arte.tv, there is still a very good interview with him to see and hear, which I can recommend to get an impression of him and his thinking.
I am not talking about Bruno Latour, although his work on the questions that interest us is extremely important and helpful. In many ways, he is obviously completely on our side. The only exception is the absence of art in his thinking – or in what I know of it. For him, art does not seem to belong to the ‘modes of existence’, which all have their own conception of truth. Well, we can talk about that. There are also two long conversations with him on Arte.tv, which he conducted shortly before his death. Also highly recommended! (Thanks to Maria Gorius for the tip!!)
You can find the interviews by entering the respective names in the search bar.
Meanwhile, during a visit from my voice teacher Clara Silber, I learned that she and Paul had already designed a workshop that worked with the four elements. This must have been before my time with them, but it shows how much the broadening of our horizons in vocal work has long been pushing in the direction of the so-called non-human world. In addition, in the early 1990s, shortly before the Rio Earth Summit, the two of them designed a board game called ‘Eco-logique’ and even presented it to some UN agencies in Geneva. Unfortunately, nothing resulted from it.
Especially in my work with Clara, the connection to ‘nature’ was always present. What had not yet been fully developed was a conceptual integration of so-called nature into the understanding of the human voice. We are working on that now.
During the week in Malérargues, we discussed the principles of a vocal art for the wounded world, which I have already presented elsewhere. In doing so, it became clear that the second point
‘No pedagogy: Our art is not an educational measure. We experiment, research and share our findings with others.’
is not helpful in this form. It leads to more misunderstandings than clarity. It is not clear what exactly is meant by pedagogy. Therefore, the first sentence is deleted. The second can be inserted elsewhere. Here is the corrected version:
Principles of Vocal Art in the Wounded World
1. Not-Knowing: we work with questions, not answers. We allow ourselves doubt, perplexity. The art actions are steps in a search process.
2. No Pedagogy: our art is not an educational activity.
We experiment, research and allow others to
participate.
3. Self-Questioning: We start with ourselves. We make ourselves part of the research.
4. Listening: Listening is an integral part of the artistic action. We listen to what is happening in the situation. Listening is a mode of research.
5. Non-singing: Although all kinds of vocal action are possible in the vocal ecotism approach, we look for spaces in which the voice largely acts by itself, without (only) fulfilling our instructions.
6. Resonance/Dialogue: We work from an attitude that does not turn everything in the world into material that is subordinated to my aesthetic ideas. We search and find in contact with myself, the others and the world with all beings and things in it. We enter into dialogue with what we encounter.
Vocal ecotism – Malérargues 2024
Hallo miteinander,
Wir Ihr wisst, war eine Gruppe von uns Ende Oktober bis Anfang November für eine Woche im Roy Hart Center in Malérargues, um dort gemeinsam an den Themen von vocal ecotism zu arbeiten und insbesondere die Fragen der künstlerischen Aktionen weiterzuführen.
Ich fühle mich zwar nicht in der Lage, einen detaillierten Bericht abzugeben, aber ein paar Bemerkungen will ich machen.
Wir hatten eine gute und intensive Woche. Morgens haben wir uns auf die Praxis und Stimmliche Elementenlehre konzentriert und nachmittags die Zeit genutzt um die Fragen und Projekte zu bearbeiten, die die Teilnehmenden mitgebracht haben. Außerdem haben wir unter dem Titel „Elementenkunde“ eine Art Chorstück ausprobiert mit stimmlichem Material, das aus verschiedenen Quellen stammte: Beschreibungen von sozusagen elementaren Klangereignissen, stimmliche Interventionen, die auf diese Klangereignisse Bezug nehmen, Ausschnitte aus Songs, die die Elemente thematisieren und was sonst noch so auftauchte. Das ist eine Idee, mit der wir in Gruppen gut weiterarbeiten können.
Am Mittwochabend habe ich einen Vortrag gehalten, in dem ich einen Einblick in die Recherchen der vergangenen Monate geben wollte, besonders in die Reflektionen. Die praktische Arbeit habe ich nur gestreift und am Ende die Prinzipien einer Stimmkunst für die versehrte Welt vorgestellt.
Die Videoaufnahme davon ist hier zu finden:
Ein paar Ergänzungen:
In dem Vortrag spreche ich relativ ausführlich über das Buch von Philippe Descola: Jenseits von Natur und Kultur. Auf arte.tv gibt es noch immer ein sehr gutes Gespräch mit ihm zu sehen und zu hören, das ich empfehlen kann, um einen Eindruck von ihm und seinem Denken zu gewinnen.
Ich spreche nicht von Bruno Latour, obwohl seine Arbeiten zu den Fragen, die uns auch interessieren, ausgesprochen wichtig und hilfreich sind. Mit sehr vielem ist er offenbar ganz auf unserer Seite. Eine Ausnahme stellt nur das Fehlen der Kunst in seinem Denken - oder in dem was ich davon kenne, dar. Kunst scheint für ihn nicht zu den "Existenzweisen" zu gehören, die alle ihre eigene Wahrheitsvorstellung haben. Na ja, da können wir mal drüber sprechen. Ebenfalls auf Arte.tv gibt es zwei lange Gespräche mit ihm, die er kurz vor seinem Tod geführt hat. Auch sehr empfehlenswert! (Danke an Maria Gorius für den Hinweis!!)
Man findet die Interviews, in dem man in der Suchzeile die jeweiligen Namen eingibt.
Mittlerweile habe ich bei einem Besuch meiner Stimmlehrerin Clara Silber
erfahren, dass sie gemeinsam mit Paul bereits vor Jahren einen Workshop konzipiert hat, der mit den vier Elementen arbeitete. Das muss vor meiner Zeit mit den beiden gewesen sein, zeigt aber, wie
sehr die Erweiterung unseres Horizontes in der Stimmarbeit in Richtung sogenannter nicht-menschlicher Welt drängt. Außerdem haben die beiden Anfang der 1990er Jahre, kurz vor dem Klimagipfel in
Rio ein Brettspiel mit dem Titel „Eco-logique“ entworfen und sogar in Genf einigen Stellen der UN vorgestellt. (Einen Eindruck kann man auf den beiden Fotos im englischen Teil
gewinnen.)
Leider ist daraus nichts geworden.
Besonders in der Arbeit mit Clara war der Bezug zur „Natur“ immer präsent. Was noch nicht ausgearbeitet war, ist eine konzeptuelle Integration der sogenannten Natur in das Verständnis der menschlichen Stimme. Daran arbeiten wir jetzt.
Im Laufe der Woche in Malérargues haben wir die Grundsätze einer Stimmkunst für die versehrte Welt diskutiert, die ich ja schon an anderer Stelle vorgestellt habe. Dabei hat sich ergeben, dass der zweite Punkt
„Keine Pädagogik: Unsere Kunst ist keine Erziehungsmaßnahme. Wir probieren, forschen und lassen andere daran teilhaben.“
in dieser Form nicht hilfreich ist. Er führt zu mehr Missverständnissen als Klarheit. Es ist nämlich nicht klar, was genau mit Pädagogik gemeint sein soll. Deshalb wird der erste Satz gestrichen. Der zweite kann an anderer Stelle eingefügt werden. Hier nochmal die korrigierte Version:
Grundsätze einer Stimmkunst in der versehrten Welt
1. Nicht-Wissen: Wir arbeiten mit Fragen, nicht mit Antworten. Wir erlauben uns Zweifel, Ratlosigkeit. Die Kunstaktionen sind Etappen eines Suchprozesses.
2. Keine Pädagogik: Unsere Kunst ist
keine Erziehungsmaßnahme. Wir probieren, forschen und lassen andere daran teilhaben.
3. Selbstbefragung: Wir beginnen bei uns. Wir machen uns selbst zum Teil der Forschungsreise.
4. Hören: Hören ist integraler Bestandteil der künstlerischen Aktion. Wir hören auf das, was sich in der Situation ereignet. Hören ist ein Modus des Forschens.
5. Nicht-Singen: Obwohl alle Arten von stimmlicher Aktion im vocal ecotism-Ansatz möglich sind, suchen wir nach Räumen, in denen die Stimme weitgehend von selbst agiert, ohne (nur) unsere Vorgaben zu erfüllen.
6. Resonanz/Dialog: Wir arbeiten aus einer Haltung, die nicht alles in der Welt zum Material macht, das meinen ästhetischen Ideen untergeordnet wird. Wir suchen und finden im Kontakt mit mir, den anderen und der Welt mit allen Wesen und Dingen in ihr. Wir treten mit dem, was uns begegnet in einen Dialog.
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Pierre Walther (Montag, 18 November 2024 15:07)
Bruno Latour has extensively collaborated with artists. Here one of his presentations (with the cave metaphor)
https://www.youtube.com/watch?v=gzPROcd1MuE&t=310s
Ralf (Montag, 18 November 2024 21:40)
Thank you Pierre for this information!